Dynamik und Auswirkungen von Alltagskonflikten
Es ist wirklich unglaublich, welche Dynamik sich aus einer unscheinbaren Situation heraus entwickeln kann.
In unseren Seminaren und Workshops nehmen wir gerne den Klassiker des Alltagskonflikts „Fenster auf – Fenster zu“ als Beispiel.
Ein Kollege öffnet immer wieder das Fenster im gemeinsamen Büro, auch bei zweistelligen Minusgraden. Ich denke mir: „Frechheit“ und ziehe mir meinen Schal noch etwas enger um den Hals. „Merkt er denn nicht, dass ich friere?“ Ich warte einen Moment, stehe dann auf und schließe das Fenster geräuschvoll. „Lass es bitte offen“, sagt er über die Schulter und beachtet mich nicht weiter. „Das werde ich nicht, mir ist kalt!“ entgegne ich ihm, woraufhin er sich zu mir umdreht und den Kopf schüttelt. „Weichei“ sagt er und setzt diese überhebliche Miene auf, die ich so sehr an ihm hasse, „ich brauche Sauerstoff und klar zu denken.“
„Natürlich“, finde ich, „aber bei diesen Temperaturen friert mir mein Gehirn ein!“ So arbeiten wir stillschweigend weiter bis – ja, bis er wieder zum Fenster rennt und es bis zum Anschlag aufreißt. Jetzt reicht es mir und ich raste aus: „Du trägst die Verantwortung, wenn ich morgen wegen einer Erkältung nicht zur Arbeit kommen kann“, blaffe ich woraufhin er mir entgegenschleudert, ich solle mich doch wärmer anziehen, wenn ich so empfindlich bin. „Ich und empfindlich, lächerlich, wer von uns ist denn ständig krank?“ So, freue ich mich insgeheim, die hat gesessen!
Diese Geschichten spielen sich täglich in den meisten Unternehmen genauso ab. Neben der Tatsache, dass hier viel Energie und Arbeitszeit verloren geht besteht die Gefahr, dass am sich Ende ein wichtiges Teammitglied verabschiedet
Das können Sie verhindern!
Der allgemein anerkannte österreichische Konfliktforscher Friedrich Glasl hat ein Modell zur Konflikteskalation bzw. -lösung entwickelt. Hiernach eskalieren Konflikte in 9 Stufen.
Für Sie fassen wir hier die drei wichtigsten Stufen von Friedrich Glasl zusammen:
- Die Win-Win Situation
- Die Win-Lose-Situation
- Und die Lose-Lose Situation
Die 1. Ebene: Win-Win-Situation
Hier befindet sich der Konflikt noch in einem „lauwarmen Stadium“. Selbsthilfe ist noch möglich.
Durch ein einfaches konstruktives Ansprechen des Konflikts – ohne den anderen anzugreifen – ist der Konflikt zu lösen.
Diese Win-Win-Situation in einem Konflikt umfasst die folgenden Konfliktstufen von Glasl:
- Verhärtung
Die Konfliktparteien stellen unterschiedliche Meinungen fest, nehmen diese jedoch noch nicht als Konflikt wahr. Es kommt zu Verhärtungen.
- Debatte
Die Konfliktparteien versuchen, sich gegenseitig von ihrer Meinung zu überzeugen. Streit entsteht, es wird versucht, Druck auszuüben. Denken in Schwarz-weiß-Mustern beginnt. Jeder beharrt auf seinen Standpunkt.
- Taten
Der Konflikt verschärft sich. Ein sachliches Gespräch ist nicht mehr möglich. Man stellt sich gegenseitig vor vollendete Tatsachen. Es entsteht Misstrauen. Man interpretiert das Verhalten des Konfliktpartners ausschließlich negativ.
Die 2. Ebene: Lose-Win-Situation
Der Konflikt hat schon an Dynamik aufgenommen. Hier schaffen die Konfliktparteien es meist nicht mehr alleine aus der Dynamik. Hier hilft externe Hilfe von einer Führungskraft oder professionelle Konfliktbegleitung. In dieser Phase passiert nach Glasl folgendes:
- Koalition
Die Konfliktparteien werden zu Gegnern. Es geht nicht mehr um die ursprüngliche Meinungsverschiedenheit, sondern darum, den Konflikt als Gewinner zu beenden. Dafür werden „Partner“ gesucht, Menschen aus dem Umfeld, die die eigene Position unterstützen. Gerüchte werden gestreut.
- Gesichtsverlust
Der Konflikt wird zum offenen Kampf. Der Gegner soll vernichtet werden. Dafür ist jedes Mittel recht, die Angriffe werden persönlich und unmoralisch. Es kommt zu Verleumdungen. Ziel ist der Gesichtsverlust und die Diskreditierung des Gegners.
- Drohen
Die Gegner sprechen Drohungen aus. So wollen sie die Situation unter Kontrolle bringen. Der Konflikt ist zum Machtkampf angewachsen. Die Eskalation beschleunigt sich.
Die 3. Ebene: Die Lose-Lose-Ebene
In dieser Phase sind die Konflikte meist so verhärtet, dass nur noch ganz schwer eine Lösung möglich ist. Hier geht die ganze Energie der Konfliktparteien in die Vernichtung des Gegners, auch wenn man dabei selbst Schaden nimmt.
In einem günstigen Fall kann eine Konfliktklärung noch etwas bewirken. Doch in den meisten Fällen hilft hier nur noch eine Trennung.
Diese Phase beschreibt Glasl so:
- Vernichten
Mit der Menschlichkeit ist es vorbei. Die Gegner akzeptieren auch eigene Verluste, wenn nur der Schaden beim Gegner größer ist. Der Gegner wird nicht mehr als Mensch wahrgenommen. Werte und Tugenden verlieren an Bedeutung.
- Zersplitterung
Der Gegner soll vollständig zerstört werden. Alle Varianten sind denkbar: physisch-materiell, seelisch-sozial oder geistig.
- Gemeinsamer Untergang
Totale Konfrontation. Die Gegner nehmen eigene Verletzungen bis hin zur Selbstvernichtung in Kauf, um die Gegenpartei zu vernichten.
Und? Haben Sie schon eine Idee, wie Sie ab heute den Konflikten in Ihrem Team begegnen? Erkennen Sie in Zukunft rechtzeitig, wo Konflikte entstehen und vermeiden Sie so, dass wichtige Ressourcen verbrannt werden.
Auf welcher Stufe befinden sie sich bei Ihrem in Ihrem Konflikt und welche Möglichkeiten es gibt, zielorientiert zu handeln? Klären Sie die Konfliktpartner auch darüber auf, zu welchen Auswirkungen ihr Streit führen kann. Noch klardenkend, in einem frühen Stadium des Konflikts, ist sicher niemandem an einer Vernichtung des anderen gelegen.
Und das Wichtigste zuletzt noch einmal: sprechen Sie Konflikte so früh wie möglich an. Wenn Sie im Bauch ein komisches Gefühl haben – sofort raus damit!
Und falls Ihnen das nicht so leichtfällt, wir helfen Ihnen gerne dabei: Wir lieben Konflikte!
Ihr Ilona Vogel Team
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